Stellungnahme von Frau Rechtsanwältin Melanie Jüde zum aktuellen Fall in Russland, in dem ein 16-jähriger wegen eines Videospiels (Sprengung des russ. Geheimdienstes) sowie dem Zünden von Feuerwerksraketen zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde:

Gestern habe ich eine Anfrage für ein kurzes Spontan-Interview mit der Deutschen Welle zum Thema des Jugendstrafrechts in Deutschland auf Basis eines aktuellen Falls in Russland, in dem ein 16-Jähriger zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde, erhalten. Hintergrund der Angelegenheit war, dass ein Videospiel, in dem simuliert worden war, ein Staatsgebäude in die Luft zu sprengen sowie Vorbereitungshandlungen durch das Zünden von Feuerwerkskörpern auf einem Baugelände. Die Frage, die sich stellte war, wie ein solcher Fall nach deutschem Jugendstrafrecht zu behandeln wäre.
Ein sehr spannender Fall, der auf Grund meiner Tätigkeit im Bereich des Jugendstrafrechts meine Aufmerksamkeit auf sich zog, so dass ich mich auf Anfrage zu einem kurzen Statement einließ:

Veröffentlichung des Presseartikels unter: Deutsche Welle

Nun, der Fall ist ein schmaler Grad und wird nur anhand von Akteneinsicht hinreichend zu beurteilen sein. Man muss im Strafrecht jeden Fall individuell betrachten und dabei auch Vorstrafen, Persönlichkeit des Täters, etc. mit in die Strafe einbeziehen, so dass ich keine pauschale Antwort auf die Bestrafung in Deutschland geben kann. Ich kann Ihnen lediglich einen kurzes Statement zu möglicherweise ähnlich gelagerten Fällen und deren möglichen Konsequenzen darstellen.

Im Hinblick auf das Abbrennen des Feuerwerkskörpers ist zunächst zu unterscheiden um was für eine Art Feuerwerkskörper es sich genau handelt und wo er gezündet wird, ob Personen dabei gefährdet waren, etc. Einzeln betrachtet kann das Abbrennen eines legalen Feuerwerkskörpers ohne die entsprechende Genehmigung zunächst eine Owi darstellen und ein Bußgeld nach sich ziehen.

Wird ein illegaler Feuerwerkskörper verwendet, selbst ein Sprengsatz gebaut und gezündet, so befinden wir uns bereits im strafrechtlichen Bereich. Jeglicher Umgang mit explosionsgefährdenden Stoffen wird in Deutschland nach dem Sprengstoffgesetz geregelt. Verstöße werden nach § 40 SprengstoffG mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahren bestraft.

Wird eine Sprengstoffexplosion herbeigeführt und Leib oder Leben gefährdet, so befinden wir uns bereits in § 308 StGB, der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, wobei es sich um ein Verbrechen handelt, welches im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr geahndet wird.

 

In Deutschland hat das Jugendstrafrecht erzieherischen, statt bestrafenden Charakter.

Es gilt für Jugendliche zwischen 14-17 Jahren und kann bei Heranwachsenden zwischen 18-20 Jahren angewendet werden. Hier wird geprüft ob der Heranwachsende von seinem Reifezustand zur Tatzeit im Hinblick auf die konkrete Tat noch einem Jugendlichen gleichzustellen war oder ob er jedenfalls eine jugendtypische Tat begangen hat.

Verhängt werden können Auflagen (wie Sozialleistungen, Betrag an gemeinnützige Einrichtung zahlen), Weisungen (sozialer Trainingskurs), Arrest bis 4 Wochen in einer Jugendarrestanstalt und Jugendstrafe.

Diese steht der Freiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht gleich.

Die Jugendstrafe ist in § 18 JGG geregelt und beträgt zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. Bei Verbrechen für das Strafrecht Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, so ist das Höchstmaß 10 Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

Eine Jugendstrafe ist nur dann anzuordnen, wenn entweder schädliche Neigungen des Jugendlichen in der Tat vorgetreten sind, oder Erziehungsmaßregel oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder die Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld erforderlich ist.

Zu berücksichtigen ist zunächst immer das Alter sowie, ob der Jugendliche bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und Eintragungen im Jugendzentralregister vorliegen oder er gar bereits einschlägige Delikte begangen hat.

Nehmen wir an, ein Jugendlicher, Ersttäter bastelt einen Sprengsatz und zündet ihn alleine auf einer Wiese. So befinden wir uns im Bereich des Erwerbs, der Beförderung, dem Verkehr oder Umgang von und mit explosionsgefährdenden Stoffen (§ 40 SprengstG) und man wird ihm vermutlich zunächst Sozialstunden auferlegen.

Wenn dabei etwas beschädigt wird, kommt eine Sachbeschädigung nach § 303 c StGB hinzu.

Soweit ein Jugendlicher ein legales Videospiel spielt, dass dazu ausgelegt ist, Gebäude in die Luft zu sprengen, wird dies für sich genommen, alleine nicht strafbar sein, da es nicht in der Realität sondern virtuell geschieht und daher keine strafbare Handlung mit sich zieht.

Es ist jedoch stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und alle Hintergründe mit einzubeziehen.

Nach den Vorfällen in New York ist seit einigen Jahren nicht nur die Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129 a StGB strafbar, sondern auch die Vorbereitung staatsgefährdender Straftaten durch den Einzeltäter.

So wird es z.B. schon anders zu bewerten sein, wenn der Jugendliche bereits wegen Delikten einer staatsgefährdenden Gewalttat in Erscheinung getreten ist, oder er aber beispielsweise eine Rohrbombe baut, um diese zu einem späteren Zeitpunkt für einen Terroranschlag zu verwenden. Ist der Täter bereits fest entschlossen, so kann dies eine Vorbereitungshandlung i.S.d. § 89 a StGB und mithin eine Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat darstellen.

Der Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gem. § 89 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB sieht im Erwachsenenstrafrecht einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Für Jugendliche dementsprechend eine Jugendstrafe im Höchstmaß von fünf Jahren.

89 a StGB stellt dabei auch unter Strafe, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er z.B. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen.

Damit könnte, je nach Lage des Falls auch hier in Deutschland ein Jugendlicher mit dem entsprechenden Vorsatz eine schwere staatsgefährdende Gewalttat verüben zu wollen, je nach Lage des Falles mit einer Jugendstrafe von 5 Jahren zu rechnen haben.

Dabei mit zu berücksichtigen wird sicherlich auch sein, ob der Jugendliche das Spiel benutzt hat, um das Gebäude auszukundschaften und ggfs. zuvor die Entzündung der Brandsätze geübt hat, um diese zu einem späteren Zeitpunkt für die Verwendung einer entsprechenden Tat einzusetzen.

 

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